Sachsen-Anhalt punktet als multimodale Logistikdrehscheibe im Herzen Europas

Auf der Hafenhinterland-Konferenz 2018 in der Bauhaus-Stadt Dessau-Roßlau diskutierten Experten aktuelle Herausforderungen für die Zukunft der Logistikbranche.

Rund 100 Logistikexperten aus sechs europäischen Ländern erörterten in Dessau-Roßlau Zukunftslösungen für die Hafenhinterlandverkehre. Sachsen-Anhalt ist dabei sehr gut aufgestellt. Das Land hat sich im Güterverkehr auf Schienen-, Straßen- und Wasserwegen zu einer bedeutenden Logistikdrehscheibe im Herzen Europas entwickelt.

„Die Multimodalität Sachsen-Anhalts ist einzigartig“, fasste Johannes Jähn, Geschäftsführer des Flughafens Leipzig/Halle, Vorstandssprecher der Mitteldeutschen Flughafen AG und Mitglied des Logistikbeirates Sachsen-Anhalt, in seinem Vortrag auf der nunmehr dritten Hafenhinterland-Konferenz zusammen. Das Expertentreffen stand unter dem Thema „Multimodale Logistikdrehscheibe Sachsen-Anhalt“. Innerhalb Europas, so der Flughafenchef, liege das Land zentral, es würde Ost- und West-Europa gleichermaßen abdecken und sei Knotenpunkt vieler transeuropäischer Verkehrsachsen. „Die frequentiertesten derzeit existenten Bahnverbindungen zwischen China und Westeuropa führen durch Sachsen-Anhalt“, so Jähn. Ebenso wie die Nachläufe von den deutschen Häfen, insbesondere Hamburg.

Gut aufgestellt

Keine Frage, das mitteldeutsche Land Sachsen-Anhalt ist gut aufgestellt in Sachen Verkehr. Dem Güterverkehr stehen 11 000 Kilometer modern ausgebaute Straßen, 600 Kilometer schiffbare Binnenwasserstraßen nebst 18 Häfen und Umschlagstellen und mit 3 000 Kilometern eines der dichtesten Schienennetze der Welt zur Verfügung. Die modernste Zugbildungsanlage Europas und nicht zuletzt der zweitgrößte Frachtflughafen Deutschlands - und der fünftgrößte in ganz Europa - kommen hinzu.

Damit hat das Land eine Schlüsselposition in der Logistik inne. „Drei von sechs Korridoren der transeuropäischen Verkehrsnetze führen durch Sachsen-Anhalt“, so Thomas Webel, Minister für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt. Sein Ministerium war, gemeinsam mit der Logistik.Initiative Sachsen-Anhalt, Veranstalter der Hafenhinterland-Konferenz in der Bauhaus-Stadt Dessau-Roßlau. Auf dem Fachforum diskutierten rund 100 Logistikexperten aus sechs europäischen Ländern Zukunftslösungen für die Hafenhinterlandverkehre in Mitteldeutschland.

Verkehrsleistung steigt

„Wir müssen uns verändern, um zukunftsfähig zu sein“, erklärte Peter Lüttjohann, Referatsleiter Güterverkehr und Logistik im Bundesverkehrsministerium. Die Verkehrsverflechtungsprognose des Ministeriums sieht bis 2030 gewaltige Veränderungen voraus. Die Verkehrsleistung im Güterverkehr steigt demnach von gut 607 Milliarden in 2010 auf fast 840 Milliarden Tonnenkilometer - eine Steigerung von 38 Prozent! Dabei, so Lüttjohann, sei der kombinierte Verkehr das deutlich am stärksten wachsende Segment mit mehr als 72 Prozent bis 2030. „Die führende Position des Güterverkehrs- und Logistikstandortes Deutschland wollen wir mit einem ,Innovationsprogramm Logistik 2030’ sichern“, zitierte er aus dem aktuellen Koalitionsvertrag.

Sachsen-Anhalt ist auf die gestiegenen Anforderungen an die Logistik gut vorbereitet. Die günstige trimodale Anbindung hat das Bundesland zu einer bedeutenden Logistikdrehscheibe in Europa gemacht. Das Land hat den Neu-, Aus- und Umbau der Eisenbahninfrastruktur bis dato mit  rund 10 Millionen Euro Fördermitteln unterstützt.

Der Weiterbau der Bundesautobahn A 14 Richtung Norden läuft, bis 2020 werden weitere 15 Kilometer der Nordverlängerung fertiggestellt sein. Der Bau der Bundesautobahn A 143 - die Verbindung der A 14 im Norden mit der A 38 im Süden - ist beschlossene Sache. Die Erweiterung der Kapazitäten für LKW-Stellplätze ist erklärtes Ziel. In den nächsten Jahren sollen 270 zusätzliche Parkstände entstehen.

Innovative Initiativen

An Initiativen zur Stärkung der Logistikbranche mangelt es ebenfalls nicht. Bereits 2008 wurde gemeinsam vom Wirtschafts- und vom Verkehrsministerium des Landes der Logistikbeirat gegründet, der als Bindeglied zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Regierung fungiert.

Mit dem ebenfalls in Sachsen-Anhalt ins Leben gerufenen Projekt „ChemMultimodal“ wiederum gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Chemieunternehmen und Logistikdienstleistern. 40 Chemieunternehmen aus ganz Europa sind daran beteiligt. Ihr Ziel: erfolgreich Chemiegüter von der Straße auf Intermodalverkehre verlagern.

Wichtig: Schienen

82 Prozent des Güterverkehrs werden derzeit mit LKW transportiert, 16 Prozent mit Güterzügen, knapp zwei Prozent mit der Binnenschifffahrt. Bis 2030 sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission 30 Prozent des Güterverkehrs auf die Schiene verlagert werden. Die drei auch durch Sachsen-Anhalt führenden Korridore - Orient/East-Med, North Sea/Baltic und Scandinavian/Mediterranean - seien das Herzstück um die Seehäfen Europas, so Dr. Alexander Vogt, aus Halle (Saale) stammender Experte für EU-Verkehrspolitik. Sachsen-Anhalt liegt im Zentrum des größten Binnenmarktes der Welt. „Wichtig für Häfen ist die Schienenverbindung“, sagte er. Diese sei, zum Beispiel in Griechenland und Italien, unzureichend. Hier kann Sachsen-Anhalt punkten. Und die große Chance für das Land, so Dr. Vogt, liege in der Unterstützung durch China. „Vor zehn Jahren gab es keine einzige Zugverbindung zwischen China und Europa. Heute sind 35 chinesische mit 34 deutschen Städten verbunden.“

Mit den erklärten Zielen Dekarbonisierung und Digitalisierung möchte auch Sachsen-Anhalt seinen Teil zum Umweltschutz beitragen. Das Land unterstützt die Schaffung von Anschlussgleisen finanziell, um den Schienengüterverkehr zu stärken. Großes Potenzial, so Verkehrsminister Webel, sehe man aber noch in der Binnenschifffahrt. Das vor einem Jahr beschlossene Gesamtkonzept Elbe hat die Stärkung der Binnenschifffahrt zum Ziel. Der Verkehrsminister spricht in Bezug auf den Schiffsgütertransport gern von „der Schleichpfote unter den Verkehrsträgern“. Die Vermeidung von Lärm ist aber bei weitem nicht der einzige Vorteil der Schifffahrt. So transportiert ein einziges Tankmotorschiff die gleiche Menge wie 82 Lastkraftwagen oder 42 Tankwaggons. Gleichzeitig ist die Transportweite unschlagbar: Mit der gleichen Treibstoffmenge kommt ein Schiff 370 Kilometer weit, ein Zug 300, ein LKW 100 und ein Flugzeug sogar nur sechs Kilometer.

Neue Seidenstraße

Schon jetzt werden in der Logistikbranche des Landes Sachsen-Anhalt drei Milliarden Euro jährlich umgesetzt; in mehr als 4 000 Logistikunternehmen sind 50 000 Menschen beschäftigt. Dabei stehen auch in Sachsen-Anhalt die Zeichen auf Wachstum, nicht zuletzt dank der Anbindung an die Neue Seidenstraße nach China. Die Mittelschicht der Bevölkerung Chinas verlange zunehmend europäische Güter - gleichzeitig wüchsen Chinas Exporte nach Europa weiter. Flughafengeschäftsführer Jähn mahnt, die Initiative aus Asien ernst zu nehmen: „Wer mitmacht, wird mit Investitionen belohnt. Wer nicht mitmacht, wird konsequent umgangen.“ Sachsen-Anhalt ist dafür infrastrukturell bestens gerüstet, es bietet eine optimale Verknüpfung der Verkehrsträger. Jähn zählt neben der Zugbildungsanlage in Halle (Saale) und dem Frachtflughafen Leipzig/Halle weitere Vorteile auf: „Die Bundesautobahnen A 14 Richtung Hamburg und die A 38 verbinden Westdeutschland und die Benelux-Länder mit Tschechien und Südpolen, die A 9 Skandinavien mit Süddeutschland, Österreich, Italien und der Schweiz.“ Die Elbe schließlich verbindet den Hamburger Hafen mit Ostdeutschland und Tschechien. Nach Ansicht Jähns wird der Schifffahrt zukünftig eine größere Rolle zukommen. Grund dafür sei der hohe Anteil an eCommerce-Waren, deren ausschließlicher Transport durch die Luft zu teuer wäre.

Am Flughaften Leipzig/Halle wird derzeit am Einsatz erneuerbaren Kerosins geforscht, ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Schadstoffreduktion im Verkehr. Es ist, soviel wurde deutlich auf der 3. Hafenhinterland-Konferenz, noch manches zu tun auf dem Weg in eine effiziente und umweltfreundliche Logistik-Zukunft. Sachsen-Anhalt hat jedoch, das haben die Präsentationen und Gespräche gezeigt, hervorragende Ausgangsbedingungen und zugleich wegweisende Lösungsansätze, um sich dieser Zukunft stellen zu können.

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