Sachsen-Anhalts Hochschulen profilieren sich als Innovationspartner

Das weltweit wachsende Mobilitätsbedürfnis, Verkehrswachstum, der demografische Wandel, Begrenzung der CO2-Emissionen, steigende Energiekosten sowie die Industrie 4.0 sind gesellschaftliche Herausforderungen und zugleich Entwicklungstreiber für Mobilität und Logistik. In der „Regionalen Innovationsstrategie Sachsen-Anhalt 2014 bis 2020“ sieht die Landesregierung die wirtschaftliche Zukunft des Leitmarktes wie folgt: „Als Zulieferer innovativer Antriebstechniken und effizienter Energieträger stärkt Sachsen-Anhalt seine Position im nationalen und internationalen Wettbewerb. Praxiserprobte intelligente Logistikkonzepte und Verkehrssysteme verbessern die Verkehrssituation auf den Straßen“. Die zunehmende technische Komplexität und immer kürzere Produktzyklen aber lassen die Entwicklung von neuen Produkten für viele Unternehmen zu einer immer größeren Herausforderung werden. Es braucht also innovative Konzepte, vor allem aber Partner, mit denen die Unternehmen diese umsetzen können.

Dass eine Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft hocheffizient sein kann, zeigen aktuelle Projekte und Kooperationen. In Sachsen-Anhalt wird also nicht nur Logistik praktiziert, sondern auch intensiv zur Weiterentwicklung der Logistikprozesse und -systeme geforscht: an zwei Universitäten, vier Hochschulen und einer Reihe von Instituten und Laboren. Forschung, Entwicklung und Produktion arbeiten hier Hand in Hand.

Neue Ideen brauchen kluge Köpfe

In den Hochschulen des Landes fängt die Verknüpfung von Forschung und Wissenstransfer in die Wirtschaft bereits innerhalb der Ausbildung der Studierenden an. So auch an der Hochschule Anhalt: Der Master-Studiengang Logistik- und Luftverkehrsmanagement (MLM), angesiedelt am Fachbereich Wirtschaft am Standort Bernburg und das Logistik An-Institut der Hochschule, das federführend im Bereich der Logistikforschung tätig ist, unterstützen einander. Das Institut bündelt die Forschung zur inhaltlichen Unterstützung der Lehre im MLM-Studiengang. Wo Projekte der Studenten aufhören, fängt die Arbeit des An-Institutes an. Andersherum werden Erkenntnisse des Institutes in die Lehre integriert. Ein Großteil der Projekte bewegt sich im Kernbereich des Logistikmanagements, in der Automobilindustrie, der pharmazeutischen Industrie, der Einzelhandelslogistik und der medizinischen Logistik. Seit den Anfängen des Master-Studienganges gibt es unter anderem erfolgreiche Kooperationen mit dem DHL Hub Leipzig, an denen sowohl Studierende des MLM als auch das Logistik An-Institut beteiligt sind. Eines der Projekte war die Ausarbeitung eines Mobilitätskonzeptes für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hub Leipzig, mit dem Ziel die An- und Abreise der Mitarbeiter zu optimieren. „Das Projekt zeigt, dass es in der Logistik auch nicht immer um das klassische Kostensparen geht. Wir wollten schauen, wie man die Mitarbeiterzufriedenheit steigern kann. Das ist strategisch nicht so wichtig, aber aus Sicht der Mitarbeiter elementar“, so Professor Frank Himpel, Leiter des MLM-Studienganges. Für die Stierenden brachten diese Projekte ganz besondere Erfahrungen und die Möglichkeit an einer akuten Problemstellung mitzuarbeiten. Mit solchen Projekten versucht Professor Himpel Transparenz in der Ursachen-Wirkungs-Forschung zu schaffen, denn die Art des Lösens logistischer Probleme durch Ursache-Wirkungs-Analysen ist relativ neu. „Wir lernen bei Praxispartnern die Methoden zu verfeinern. Nur mit dem Zusammenwirken von Unternehmen und angehenden Fachleuten lassen sich Inhalte aus Theorie und Praxis am besten verzahnen. Insgesamt eine Win-Win Situation für alle Beteiligten“. Um diesen Wissenstransfer weiter zu optimieren, wird noch in diesem Semester ein Logistiklabor an der Hochschule Anhalt eingerichtet, das als weitere Schnittstelle den Wissenstransfer zwischen dem Logistik-Institut, dem MLM-Studiengang und den Praxispartnern vorantreiben soll

Konzepte bis hin zu prototypischen Lösungen entwickeln

Auch das bundesweit einmalige Kompetenznetzwerk für Angewandte und Transferorientierte Forschung (KAT) fungiert als Schnittstelle und fördert unter anderem den Wissenstransfer zwischen Logistik-Wirtschaft und der angewandten Forschung im Land. Im Zentrum steht die Zusammenarbeit von Hochschulen mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. Und diese Arbeit trägt Früchte: An der Hochschule Merseburg beschäftigen sich Mitarbeiter und Studierende der Lehrgebiete Logistiksysteme und -netzwerke sowie Supply Chain Management derzeit mit zwei größeren Projekten, der Tourenplanung in der Müllentsorgung der Halleschen Wasser- und Stadtwirtschaft GmbH und den Big-Data-Analysen des Logistikdienstleisters Radial Fulfillment GmbH. „Um die Tourenplanung der Müllentsorgung zu optimieren, stellt sich die Frage, mit wie vielen Fahrzeugen, welche Gebiete angefahren werden und in welcher Reihenfolge diese optimal bedient werden müssen. Wir entwickeln Konzepte und Verfahren, implementieren diese prototypisch, so dass die Hallesche Wasser- und Stadtwirtschaft mit diesem Verfahren die Müllentsorgung besser und schneller leisten kann. Das Projekt beschäftigt uns bereits seit ein paar Jahren und steht vor dem Abschluss“, erklärte Professor Dirk Sackmann von der Hochschule Merseburg. Auch bei dem erst jüngst ins Leben gerufene Projekt zwischen dem Logistikdienstleister Radial Fulfillment und der Hochschule geht es um die Optimierung von Arbeitsprozessen. „Es steht die Frage im Vordergrund, was man aus den Bestelldaten der Kunden und den Zusammenhängen der Bestellung in Bezug auf das Logistikkonzept des Unternehmens schließen kann. Also welche Güter werden bestellt und müssen in einem Paket gebündelt werden. Wenn ich das weiß, kann ich beim Zusammenstellen der Daten mein Lager so organisieren, dass die Kommissionierung schneller geht, Wege gespart werden und die Verpackung effizienter wird. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Wirkung von Onlinekampagnen auf die Nachfrage: Ziel ist es herauszufinden, wie sich die Nachfrage nach Artikeln, die in der Kampagne beworben werden, ändert. Darüber hinaus untersuchen wir auch die Nachfrageänderungen der Artikel, die gerade nicht explizit beworben werden.

Die Analyse der Big-Data gibt uns also Rückschlüsse auf Organisation, Personalplanung und Lagerlogistik“, erklärte Professor Sackmann.

Aus langjähriger Partnerschaft entstehen immer wieder neue Projekte

Am Institut für Logistik und Materialflusstechnik (ILM) an der Otto von Guericke Universität Magdeburg ist der Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ein zentrales Aufgabenfeld. Es gibt zum einen Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit konkreten Aufgabenstellungen der Wirtschaft und zum anderen Verbundprojekte mit mehreren Partnern aus der Wirtschaft, die in der Regel von Förderinstitutionen wie dem BMBF, BMVI oder vom Land Sachsen-Anhalt in Verbindung mit der EU im Rahmen der Regionalen Innovationsstrategie (RIS) finanziert werden. Darüber hinaus finden immer wieder Weiterbildungs- bzw. Inhouse-Seminare für Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen statt. Ebenso wichtig sind Kooperationen zwischen Studierenden des Studienganges Wirtschaftsingenieurwesen Logistik und Wirtschaftsunternehmen im Rahmen von Abschlussarbeiten. „Unser Institut betreut jährlich über einhundert Abschlussarbeiten, wovon rund zwei Drittel in Zusammenarbeit mit der Praxis erstellt werden. Die Studierenden können so ihr analytisches Denken und Methodenwissen anwenden“, erklärte Professor Hartmut Zadek vom ILM.

Bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten zwischen dem Institut und Unternehmen entstehen aus langjährigen Partnerschaften immer wieder neue Fragestellungen: „So sind wir für die Logisch GmbH Magdeburg ein immer wieder gefragter Forschungspartner bei der Entwicklung und Erprobung von innovativen Materialflusssystemen, beispielsweise bei Systemelementen für Gepäckförderanlagen. Für die EKF-diagnostic GmbH, einem erfolgreichen Medizingerätehersteller in Barleben, konnten wir den innerbetrieblichen Materialfluss vom Wareneingang über die Gerätemontage bis hin zum Versand neu gestalten“.

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